Unterwegs zum großen Unbekannten
Der Beigenstein: 13 von 20 Kilometern mit dem Fahrrad
Beigenstein — nie gehört? Diese Antwort werden Sie vermutlich von den meisten Isarwinklern bekommen, wenn Sie nach dem großen Unbekannten im Gebiet zwischen Brauneck und Benediktenwand fragen. Und das hat Gründe: Das fängt schon damit an, dass wir bei unserer Tour nicht ein einziges Hinweisschild gefunden haben (die Orientierung ist dennoch kein Problem). Und eine Einkehrmöglichkeit gibt es nicht — also: ausreichend Proviant mitnehmen. Und schließlich könnte man vermuten, dass der Beigenstein ein ganz schöner „Hatscher“ ist. Eine Bergtour mit mehr als 20 Kilometern Länge? Nun, nachdem wir etwa 13 Kilometer dieser Strecke im Schwarzenbachtal ohne allzu große Anstrengung mit dem Fahrrad zurücklegen, relativiert sich der Aufwand erheblich. Dennoch gehört der Beigenstein, obwohl wirklich mitten im Isarwinkel gelegen, zu den eher selten begangenen. Bei unserer jüngsten Tour, ziemlich früh an einem Werktag, sind uns auf der gesamten Strecke genau vier Menschen begegnet. Dafür haben wir etlichen dutzend Jungrindern ein wenig Abwechslung im Alltag verschafft. Das Fleckvieh, das in der üppigen Flora reichlich Nahrung für den Almsommer findet, erwies sich als bemerkenswert neugierig und unternahm allerhand Anstrengung, die Wanderer zu beschnuppern. Eine Gämse, der wir unterwegs begegnen, schaut uns teils ungläubig, teils erschrocken an, bevor sie davon trottet.
Losgeradelt sind wir an einem Parkplatz am Isarufer, wenige Meter unterhalb des Gasthauses Hoheneck. Nach einem kurzen Anstieg steigt die zunächst asphaltierte Straße hinein ins Schwarzenbachtal fast unmerklich an. Später, wenn‘s auf Schotter etwas steiler wird, kann man den Drahtesel ja schieben. Lohn der Mühe: Auf dem Rückweg rollt man mühelos aus dem Tal hinaus. Wer es drauf anlegt, muss nicht ein einziges Mal treten.
Ganz einfach ist der Aufstieg nicht. Nachdem der Forstweg bei der vorderen Krottenalm endet, durchqueren wir ein Gebiet, das von unzähligen Huftritten regelrecht perforiert und darum etwas glitschig ist. Und als würde das nicht reichen, müssen wir kurz vor Erreichen des Gipfelkreuzes auch noch über einen Elektrozaun. Vom Gipfel, den wir nach etwa zweieinhalb Stunden erreichen, sehen wir im Norden hinüber zum Latschenkopf (1712 m) oberhalb des Idealhangs nebst ein paar Liftstützen, und im Südosten so ziemlich alle Hütten, die das Brauneck zu bieten hat. Im Nordwesten wohin wir zunächst absteigen, interessieren uns drei Felsnasen, die knapp 50 Höhenmeter weiter unten aus dem Weidegrund ragen. An einem dieser Steine entdeckt man ein mehr als 400 Jahre altes Felsmarch, das einst die Grenze zwischen dem (klerikalen) Klostergericht Benediktbeuern und dem (weltlichen) Landgericht Tölz markierte. Diese Entdeckung verdanken wir dem 2014 vom Jachenauer Jost Gudelius herausgegebenen Büchlein „Doppelter Abtstab und Hebscheid“ (Schneemann-Verlag ISBN 978-3-9815341-7-7).